Jungfrau Zeitung - «Camper-Neulinge erkennt man relativ schnell»

2022-11-15 16:49:51 By : Mr. Jack Wang

Das verlängerte Oster-Wochenende nutzen die meisten Schweizerinnen und Schweizer gerne, um ihrem eintönigen Alltag mit einem Kurzurlaub zu entfliehen. Während es einige trotz Pandemie in die Ferne zieht, setzen immer mehr Leute auf Ferien im eigenen Land. Gerade Camping erfreut sich neuerdings extremer Beliebtheit. Will man kurz vor Ostern noch einen Stellplatz auf einem der vielen Schweizer Campingplätze ergattern, braucht man Glück, die meisten sind bereits aufs ganze Jahr ausgebucht. So auch der Campingplatz Aaregg in Brienz.

Hier reiht sich ein Campingwagen an das nächste Campingmobil oder Zelt, und findet man einen leeren Stellplatz, ist der meist binnen eines Tages wieder belegt. Mittendrin steht auch der Campingwagen von Vreni und Werner Hunziker. Die beiden Aargauer sind passionierte Camper und kommen bereits seit Jahren hierher, mal in den Sommer- oder Herbstferien, mal an Auffahrt, an Pfingsten oder eben an Ostern.

Campen sei schon immer ihr Traum, begonnen hätten sie aber erst 2005, erzählt Werner. «Ich hatte einen Herzinfarkt, und nach der Bypass-OP, einem langen Klinikaufenthalt mit anschliessender Reha haben wir uns gesagt: Jetzt müssen wir etwas ändern.» Also hätten sie sich einen Wohnwagen gekauft, ihre drei kleinen Kinder geschnappt und ihren Traum in die Tat umgesetzt.

Jetzt sind ihre Kinder mittlerweile erwachsen und gehen selber mit ihren Familien, Partnern und Freunden campen. Doch für die Hunzikers kein Grund, aufzuhören. «Wir kennen einige Paare, die nicht mehr campen gegangen sind, nachdem die Kinder aufgehört haben, mitzukommen, aber das war für uns kein Thema. Dafür gefällt es uns zu gut.»

Ferne Länder besuchen ist für die beiden nichts. «Als wir das zum letzten Mal gemacht haben, waren wir, glaube ich, noch nicht einmal verheiratet», erzählt Vreni. Aber in den Ferien zu Hause bleiben ginge auch nicht. «Wenn man das macht, findet man immer was zu tun und macht nicht wirklich Ferien. So kommen wir mal weg, können nichts tun und einfach entspannen.»

Das Nichtstun ist laut Werner das eine, die Leute das andere, was die beiden immer wieder auf die Campingplätze zieht. «Wir haben beim Campen schon viele tolle Leute kennengelernt.» Einige hätten sie sogar bereits gekannt, aber erst auf dem Campingplatz wirklich kennengelernt. So wohnen etwa Hunzikers Stellplatznachbarn schräg gegenüber gleich im Nachbardorf. «Man hat sich ab und an gesehen, aber erst beim Campen sind wir ins Gespräch gekommen und jetzt treffen wir uns hier fast jedes Jahr.»

So ginge es ihnen mittlerweile auf den meisten Campingplätzen, so Werner. «Wir treffen mittlerweile fast überall jemanden, den wir bereits kennen.» Ab und zu komme es auch mal vor, dass man jemanden kennenlerne, den man nicht unbedingt ein zweites Mal sehen muss. «Beispielsweise, wenn jemand keinerlei Rücksicht auf seine Stellplatznachbarn nimmt oder ganz im Gegenteil sich zum Parkwächter aufspielt und bei jedem kleinsten Verstoss gleich aufschreibt, das ist aber zum Glück sehr selten.» Zwischen Campern gelte ein unausgesprochenes Gesetz von Offenheit, Freundlichkeit und Rücksichtnahme. «Und wenn man das nicht verstanden hat, ist man am falschen Ort.»

Neben den eingefleischten Campern und den «Querschlägern» gäbe es noch eine dritte Kategorie, die Camper-Neulinge. «Die erkennt man relativ schnell, nur schon daran, wie sie zufahren», erzählt Werner und lacht. Denn die wenigsten würden sich vor dem ersten Mal Campen mit einem Wohnwagen oder -mobil überlegen, wie sie ihr Gefährt auf der Parzelle platzieren sollten.

Beispielsweise sei letztes Jahr an Ostern eine Familie mit Kind und VW-Bus hierhergekommen, und es sei sehr offensichtlich gewesen, dass das ihr erstes Mal war, da der Vater zunächst gleich an der Strasse mit der Schiebetür nach hinten parkiert hätte, erzählt Werner. «Wir dachten uns, sie wollten vermutlich einfach ihre Ruhe, aber der Vater hat dann kurz darauf seinen Irrtum bemerkt und ist mitten in die Parzelle gefahren.» Wieder falsch. Dadurch sei nach dem Aufstellen das Vordach direkt an die Parzellengrenze gereicht. Wäre ein Wohnwagen in die Parzelle nebenan gefahren, hätte die Familie nicht mehr ein und aus gehen können. «Darum habe ich ihn darauf hingewiesen und ihm empfohlen, den Bus an den Rand der Parzellen zu stellen, worüber er sich sehr gefreut hat.»

Solche Camper-Neulinge gäbe es seit vergangenem Jahr viele, sagt Werner. «Man merkt eindeutig, dass Corona das Interesse der Schweizer am Camping verstärkt hat.» Ein Problem ist das für die beiden aber nicht, da die meisten zwar keine grosse Ahnung vom Campen hätten, aber offen und freundlich seien. «Die grüssen einen und manchmal kommt man ins Gespräch.»

Andere seien dagegen «offensichtlich fehl am Platz», erzählt Vreni. «Die laufen dann Kopf runter mit ihrem Geschirrkorb durch die Strassen und man sieht ihnen an, wie unwohl sie sich hier fühlen.» Diese Gruppen würden meist unter sich bleiben und nicht den Kontakt zu anderen Campern suchen. «Das sind dann auch die, die wir nach Corona-Ende sehr wahrscheinlich nie mehr auf einem Campingplatz treffen.»