Eleven Madison Park: Chaos im einst besten Restaurant der Welt – was läuft dort falsch? | STERN.de

2022-11-15 16:39:46 By : Ms. Sure Tam

Das "Eleven Madison Park" in New York City war der Ort, an dem alle sein wollten. Alle wollten hier arbeiten. Alle wollten hier essen. Die Tische waren auf Monate im Voraus ausgebucht. Die Bewerbungen türmten sich. "Eleven Madison Park" hat die Spitzengastronomie erlebbar gemacht. Es war einst spannend, dort zu essen, eine Lebenserfahrung, dort Gast zu sein. Die "New York Times" schrieb 2015 noch über das Restaurant, dass es ein Ort der Freude sei. Heute kriegt man an fast jedem Tag einen freien Tisch, Jobs im Restaurant gibt es ohne Ende. Was ist passiert?

Küchenchef Daniel Humm verkündete im Juni 2021, 15 Monate nachdem das Restaurant aufgrund der Pandemie geschlossen war, komplett auf veganes Essen umzustellen. Das ist nun ein Jahr her. Auch Chandler Yerves Traum ging damals in Erfüllung, wie der "Business Insider" in einem ausführlichen Bericht schildert. Seit er 14 Jahre alt war, wollte er im Eleven Madison Park arbeiten. Endlich hatte er die Chance darauf und zudem durfte er das brandneue, vegane Menü launchen. Es war ein Traum für jeden Koch. Bis zu dem Tag, als er sich durch New Yorks Straßen rennend wieder fand, mit einem Kugelschreiber in der Hand.

Ein Sous-Chef schickte Yerves los und wies ihn an, nicht zurückzukehren, bis er genug Paprikaschoten für das Abendgericht gefunden hatte. Die Paprika mussten dabei genauso lang sein, wie der Kugelschreiber, den er in der Hand hielt. Dabei war es völlig egal, woher die Paprika kam. Yerves wurde nach mehreren Versuchen irgendwann fündig. Die Hälfte der Paprika, die er kaufte, landete im Müll. Man brauchte nur einen bestimmten Teil der Paprika für das Gericht. Ehemalige Mitarbeiter:innen beschrieben diese Vorgehensweise als "Farm to Trash", also vom Feld in den Müll, anstelle vom Feld auf den Tisch.

Von Beginn an waren die Kritiken des neuen veganen Konzepts vernichtend: Die "New York Post" schrieb beispielsweise, dass der Veganismus womöglich Humms Karriere ruinieren würde. Der Restaurantkritiker Pete Wells von der "New York Times" schrieb, dass das Gemüse "so offensichtlich für Fleisch oder Fisch" stehe, "dass es einem fast leid tut". Wells krönte seine Kritik mit einer Enthüllung: Im privaten Speisesaal würde noch immer Fleisch serviert. "Ein geheimer Raum, in dem die Reichen gebratenes Filet essen, während alle anderen ein Auberginenkanu bekommen."

Man kann den Grund dafür, dass in dem einst prestigeträchtigsten Restaurant vieles aus dem Ruder läuft, nicht allein auf das vegane Menü schieben. Auch wenn vielleicht nicht jeder über 300 US-Dollar für ein Luxusmenü zahlen möchte, das ausschließlich aus Gemüse besteht. Ehemalige Mitarbeiter:innen haben anonym gegenüber dem "Business Insider" vielfältige Probleme angesprochen: die schlechte Bezahlung, unbezahlte Überstunden, Druck, Chaos, schlechte Versorgung der Mitarbeiter:innen und fehlendes Personal. Die, die das "Eleven Madison Park" einst groß gemacht haben, sind längst gegangen. Was Humm angehe, der würde sich eher darauf konzentrieren, Promis zu hofieren als sich in der Küche zu zeigen. Früher war es unmöglich, eine Arbeitsstelle im "Eleven Madison Park" zu bekommen, neulich wurden 16 Positionen ausgeschrieben. Ob Humm das Ruder herumreißen kann, wird sich zeigen. "Es ist definitiv nicht mehr so gut wie vorher", sagte ein ehemaliger Mitarbeiter dem "Business Insider". "Auf jeden Fall den Preis nicht wert."

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